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„Frittierte Fischköpfe? Wieso nicht!“


Im Fine Hotel Hirschen im idyllischen Bregenzerwald erklimmen Raffaela und Jonathan Burger mit ihrem Küchenteam steile kulinarische Pfade. Die Richtung gibt der Mix aus Tradition, Mut zu Neuem und eine großen Portion Regionalität vor. Ansonsten ist erlaubt, was gefällt – solange es den Gästen schmeckt!  

Bilder: Julius Hirtzberger, Angela Lamprecht, Peter Bender, Franziska Stegemann, Jonathan Burger

„Dem Hotel gegenüber liegen in die Hangspitze und der Guntenkopf, zwei beliebte Gipfel – vielleicht erinnert uns das jeden Tag an unser Ziel“, sinniert Jonathan Burger über seine Küchenphilosophie. So wie beim Anstieg gilt auch bei der Arbeit in der Gastronomie: „Du musst mit ganzem Herzen dabei sein, sonst wird es schwierig!“ Für seine Idee agiler Küche findet er hier in Schwarzenberg die besten Voraussetzungen: Schließlich kreuzten sich im historischen Handelszentrum schon immer die Wege – im 18. Jahrhundert jene der Lasttier-Händler, die zum Salz- und Weinhandel bis nach Oberitalien unterwegs waren, heute die der Suchenden. Denn im Bregenzerwald wird man fündig: Natur, Kultur, gelebtes Handwerk und regionale Landwirtschaft. Kein Wunder, dass Frische und Regionalität die Grundlagen für die Speisekarte im Hirschen bilden. „Lokale Versorgung bringt aber auch Herausforderungen mit sich“, weiß der Küchenchef.

Abwechslung erfreut Gast und Koch

Je persönlicher und direkter die Bezugsquellen werden, desto mehr Flexibilität wird der Küche abverlangt. Denn Regionalität ist Gewinn und Beschränkung zugleich: „Man kocht konsequent mit dem, was da ist.“ Und wenn das mal weniger ist? „Beim Fleisch haben wir in 35 km Umkreis ein reichhaltiges, stabiles Angebot. Aber beim Fisch hast du immer Schwankungen. Zum Beispiel bei unserem Züchter vor Ort, da kann es vorkommen, dass die Aufzuchtplanung die Bestellung durchkreuzt. Ähnlich ist das beim saisonalen Frischfang aus dem Bodensee.“ Trotzdem würde Burger nie Qualität gegen Verfügbarkeit tauschen. Stattdessen haben sie im Hirschen ein Konzept entwickelt: „Wir bieten ständig 16 Gerichte. Davon wechseln drei bis vier täglich, je nachdem, was gerade erhältlich ist.“ Für die Küche bedeute das zwar mehr Aufwand, aber: „Das ist eben unsere Philosophie.“

„Der Zander aus Oberösterreich hat fantastische Sashimi-Qualität, der Fisch kommt zuverlässig frisch – es macht Freude, damit zu arbeiten und immer neue Ideen umzusetzen!“

(Jonathan Burger)

Herausforderung Zander

Der Zander zählt für Jonathan Burger zu den besten Süßwasserfischen. „Das Potenzial ist verlockend, trotzdem habe ich vor zwei Jahren aufgehört, den Fisch zu kaufen.“ Der Grund: mangelnde Qualität. „Die Ware am Markt, ob aus Holland, Kasachstan oder sonst woher, hat mich nie überzeugt.“ Lange Lieferwege bedingen nicht nur fehlende Frische: „Das ist auch nicht nachhaltig. Überfischung, Schäden am Ökosystem, CO2-Emissionen beim Transport – das passt einfach nicht zu uns.“ Damit war Zander abgehakt. Zumindest bis er Böhmerwald Fisch kennenlernte. „Der Zander aus Oberösterreich hat fantastische Sashimi-Qualität, der Fisch kommt zuverlässig frisch – es macht Freude, damit zu arbeiten und immer neue Ideen umzusetzen!“

Gute Küche: mehr als frische Zutaten

Die Basis bilden die eigenen Möglichkeiten. Und die sind im Hirschen reichlich vorhanden: „Wir machen unglaublich viel selbst, stellen unseren eigene Prosciutto her, fermentieren Gemüse und haben einen Raum fürs Dry Aging“, führt Jonathan aus. Dry Aged Zander? Spannender Gedanke: „Ich lasse ihn bis zu zehn Tage lang hängen. Was der Fisch dabei an Gewicht verliert, gewinnt er an Geschmack dazu! Er wird buttriger, interessanter und die trockene Haut beim Grillen unvergleichlich knusprig. Mit Kartoffelpüree und Sauce ein Gedicht!“

Kreative Freiheit lebt Jonathan Burger auch mit seinem Team. „Wir sind zwölf Köche und Köchinnen, da kommen viele gute Ideen zusammen, die dann zu etwas Neuem führen!“ Inspirationen holt er sich gern auch international. In Berlin, Paris oder Zürich. Von Bregenz aus gut erreichbar. „Ich hinterfrage mich ständig und schaue, was andere so machen. Unsere Küche lebt von frischen Zutaten und frischen Ideen!“

Ganz oder gar nicht: Nachhaltigkeit

Die Verwertung des ganzen Tieres Nose to Tail ist für Burger selbstverständlich. „Nachhaltigkeit geht gar nicht anders. Dazu braucht es aber erstens Partner, die die Qualität liefern – und Gäste, die das Ergebnis zumindest probieren.“ Denn bei Nose to Tail ist der Chefkoch konsequent. „In frittierten Zanderköpfen steckt das Zarteste am Fisch, die Bäckchen! Und wieso nicht auch mal Leberpastete vom Zander? Oder gegrillte Zander-Herzen?“ Mit derart verwegenen Gedanken wagt sich Jonathan Burger gerne auch direkt an den Esstisch. „Innereien stoßen oft auf Ablehnung. Dabei kommt es – wie bei allem – auf den Koch an“, erzählt er denn auch dem Gast persönlich. In Buttermilch fein sautiertes, gebackenes Kalbsbries, das klassische Kalbsbeuschel mit Jus statt Fonds – nach Beispielen gefragt, gerät der Chefkoch ins Schwärmen. Offenbar erfolgreich: „Sieben von zehn Gästen sind positiv überrascht vom Gruß aus der Küche. Diese kulinarische Überzeugungsarbeit gehört für mich dazu!“